TANZ & KUNST: Der 'Tanzmaler' Ernst Oppler im Tanzmuseum in Köln

von Bettina Krogemann

Ernst Oppler, ‚Les Sylphides (Hinter den Kulissen)‘, um 1915. Öl auf Leinwand. Deutsches Tanzarchiv Köln.

Foto: Courtesy & © Deutsches Tanzarchiv Köln, SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn. 

 

Fast alle Künstler der Berliner Secession waren von den Bewegungen des ‚Russischen Ballett‘ fasziniert, als dieses im Jahr 1909 in der Hauptstadt des Deutschen Kaiserreich erstmals auftrat. Einer dieser Künstler war der damals knapp vierzigjährige und schon sehr erfahrene Ernst Oppler, der als Maler und in verschiedenen druckgraphischen Techniken arbeitete. Anläßlich seines 150. Geburtstages widmet ihm das Kölner Tanzmuseum, dessen Archiv den Teilnachlaß Opplers besitzt, derzeit eine große Retrospektive. Hauptthema? Das ist der Tanz, das klassische Ballett der Russen!

Künstler laden Künstler ein, so knapp könnte man das erste Zusammentreffen der Secessionisten und der Tänzer des Kaiserlichen Russischen Balletts in Berlin im Mai 1909 bezeichnen. Der Vorsitzende der Berliner Secession, der Galerist und Verleger Paul Cassirer, hatte ein zweiwöchiges Gastspiel des Kaiserlichen Russischen Balletts in Berlin arrangiert. Einen Tag vor dem Gastspiel gab das Ensemble eine geschlossene Voraufführung für die Mitglieder der Secession mit einem anschließenden Bankett für das geladene Publikum und die Tänzer. Ein enorm fruchtbarer Austausch zwischen den Künstlern nahm nun seinen Lauf. Für den Maler Ernst Oppler war die Berliner Aufführung ein Schlüsselerlebnis und leitete einen Wendepunkt in seinem künstlerischen Schaffen ein: Von nun an war Oppler ein Maler des Tanzes. Später, im Jahr 1927, hielt er rückblickend dazu fest: „Dem überwältigenden Eindruck vom ersten Auftreten des Russischen Balletts haben wohl wenige Künstler sich entziehen können. Für mich selbst, den schon immer die Bewegung von Menschen, auch Tieren, in erster Linie zur Wiedergabe gereizt hat (…) bedeutete das Auftreten der Russen wohl das größte Erlebnis in meiner künstlerischen Entwicklung, weil diese durch die Leidenschaftlichkeit ihrer Darstellung , durch die unvergleichliche Höhe ihrer Tanzkunst, durch den bis dahin nie erreichten Zusammenklang von Bühnenbild, Musik wie mit dem Ausdruck und Rhythmus alles erfüllten, was sich künstlerische Phantasie erträumen konnte.“

 

Skizzenbücher von Ernst Oppler zu Anna Pawlowa (mit Foto und Programmzettel). Deutsches Tanzarchiv Köln.

Foto: Courtesy  & © Deutsches Tanzarchiv Köln, SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn. 

Die Begeisterung war wohl gegenseitig, wenn man den Worten der Solistin des ‚Russischen Ballett‘ und Primaballerina Anna Pawlowa Glauben schenkt. Pawlowa, die Oppler besonders wichtige Impulse für sein Schaffen gab, erklärte 1913 rückblickend zu ihrem Berliner Gastspiel: „Von besonderer Bedeutung war sicherlich die so überaus freundliche Aufnahme, die mir gleich bei meinem ersten Gastspiel in Berlin zu Teil geworden ist. Dies hat mich sehr ermutigt, denn ich war ja meines Sieges gar nicht gewiss, als ich auszog, um eine Kunst zu zeigen, die in Europa in Vergessenheit geraten war. Und mit ganz großer Dankbarkeit muß ich der Berliner Secession gedenken, die (…) sich gleich zu mir bekannte und mich und meine Truppe mit einem Bankett im Hotel Esplanade feierte."

Ernst Opplers Schwärmerei für Anna Pawlowa (1881–1931) ist in seinem Werk nicht zu übersehen.  Niemand hat ihn zu so vielen Studien, Radierungen und Gemälden angeregt wie die große Pawlowa. Seit ihrem ersten Berliner Auftritt im Jahr 1909 schuf er unzählige Porträts von ihr und skizzierte sie immer wieder im Tanz. Nach seinen zeichnerischen Entwürfen entstanden Gemälde oder Radierungen, nach denen oftmals Postkarten verlegt wurden. Zu ihrem berühmtesten Tanz-Solo, ‚Der sterbende Schwan‘, schuf er viele zeichnerische und malerische Werke. 1912 reiste Oppler nach London, um sie zu porträtieren, und noch 1925, wenige Jahre vor seinem Tod, besuchte er ihre Proben und Aufführungen, als sie mit ihrer mittlerweile eigenen Ballett-Truppe wieder in Berlin gastierte. Anna Pawlowa war die einzige Tänzerin, die ihm in seinem Berliner Atelier vortanzte und dort Modell stand. Dabei ging sie mitunter auch kritisch mit ihm um. Wie Oppler selbst verriet, hatte sie an einer ihr vorgelegten Zeichnung einiges Tanztechnische auszusetzen gehabt und gab ihm hinterher Gelegenheit zur Verbesserung.

 

Ernst Oppler, Skizze zu ‚Le Carnaval‘, Bleistift, 1910; Skizze, wahrscheinlich zu ‚Schéhérazade‘, Kohle, 1912; ‚Le Carneval‘: Reconnaissance (Karsawina und Nijinsky), Kaltnadelradierung, 1917; ‚Der Geist der Rose‘ (Karsawina und Nijinsky), Ätzung, Kaltnadel und Aquatinta, 1912/1913; Illustration für eine Einladung zu einem Ball der Berliner Secession (als Personifikationen: der Berliner Bär tanzt mit der ballettgemäß auf der Fußspitze tanzenden Malerei), Radierung, 1926. Deutsches Tanzarchiv Köln. Fotos: Courtesy & © Deutsches Tanzarchiv Köln, SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn.

Ernst Oppler war an der Bewegung der Tänzer interessiert, an den namhaften Solisten und an den einzelnen Balletten, die getanzt wurden. Seine Arbeit war ein schweres Unterfangen. Sie verlangte solide Kenntnisse des Balletts und der Techniken ab, forderte eine enorm gute Beobachtungsgabe und sicherlich viel Training, „Oft bin ich gefragt worden, wie meine Ballettbilder entstanden sind. Die lebhaften Bewegungsmotive von Ballettszenen und Einzeltänzen können selbstverständlich nicht nach dem Modell gemalt werden. Im verdunkelten Zuschauerraum muß der Maler in flüchtigen Notizen die Reihenfolge der Bewegungen niederschreiben und versuchen, durch eine unaufhörlich wiederholte Beobachtung den Schritt und die Bewegung sich so einzuprägen, daß er imstande ist, sie auswendig darzustellen“, erklärte er selbst zu seiner Arbeitssituation als ‚Tanzmaler‘. Um nach der Natur arbeiten zu können, konstruierte er einen beleuchteten Stift, der es ihm ermöglichte, in dem abgedunkelten Zuschauerraum zu zeichnen. Dort und auf der Probebühne versuchte er in Hunderten von Kohle-, Kreide- oder Bleistift-Skizzen die Tänzerinnen und Tänzer in den schnellen Bewegungen zu erfassen. Später fertigte er im Atelier weitere Zeichnungen, dann Radierungen und Gemälde an. Zum Kreis der von Oppler Dargestellten gehören nicht nur Anna Pawlowa, auch Waslaw Nijinsky, Tamara Karsavina, Adolph Bolm, Michail Fokine, Léonide Massine und der Impresario Serge Diaghilew fanden bevorzugt Eingang in sein Werk.

Die Ausstellung war bis zum 28. Januar 2018 im Tanzmuseum Köln zu sehen.

Fotos: Mit freundlicher Genehmigung des Tanzarchv Köln.